Zikria, 19
Das Einzige, was ich aus Afghanistan noch besitze, ist die Gebetskette meines Bruders. Die trage ich immer, Tag und Nacht. Er wurde als Erster meiner Familie ermordet. Ich werde diese Kette nie wieder von meinem Hals nehmen. Als ich fünfzehn war, haben die Taliban meinen zweiten Bruder umgebracht. Da bin ich geflüchtet und war zuerst zweieinhalb Jahre in Pakistan. Allein. ¶ Die Weiterflucht hierher hat insgesamt vier Monate gedauert. Wir waren fast immer nur nachts unterwegs, mal in kleinen Gruppen, mal allein, mal mit hundert oder mehr Personen. Ich weiß nicht einmal, durch welche Länder ich gekommen bin. Oft habe ich gedacht, dass ich mein Ziel nie erreichen werde. Aber irgendwie habe ich es dann doch geschafft nach Deutschland zu kommen. Hier lebt mein ältester Bruder. Alle anderen, meine Schwestern und meine Eltern, sind wohl nicht mehr am Leben. ¶ Vielleicht schreibe ich irgendwann einmal, wenn ich wieder richtig gesund bin, ein Buch über alles, was ich durchmachen musste. Zum Glück habe ich jetzt bei meinem Bruder wieder eine Familie gefunden und darf sogar noch mal zur Schule gehen. Es könnte wie ein zweites Leben sein, wenn ich nur Sicherheit hätte, dass ich bleiben darf! Der Gedanke, nach Afghanistan abgeschoben zu werden, macht meine Seele krank.